Sportwissenschaften: Anwendungsfelder und Nutzen

Bericht zur 3. Jahrestagung SGS
20./11. Februar 2011 an der Universität Lausanne

Im Rahmen der Thematik „Sportwissenschaften: Anwendungsfelder und Nutzen“ wurde die Rolle der Sportwissenschaften heute in der Schweiz beleuchtet. Bernard Marti, der Präsident der Sportwissenschaftlichen Gesellschaft der Schweiz, hat die Dynamik der Sportwissenschaften auf nationaler Ebene hervorgehoben und René Knusel, der Vorsteher der Fakultät für Sozial- und Politikwissenschaften der Universität Lausanne hat daran angeknüpft und über die lokalen Entwicklungsperspektiven gesprochen.


England und Frankreich wurden als Vergleichsländer herangezogen, um einen gewissen Abstand zu gewinnen und so ein besseres Verständnis des Schweizer Kontexts im Hinblick auf die etwas verzögerte Entwicklung der Sportwissenschaften zu ermöglichen. Zudem wurde einem Praktiker, der die Sportwissenschaften konkret anwendet, die Möglichkeit gegeben, das Wort zu ergreifen.  

Mark Williams von der Universität Liverpool hat eine Analyse der sportwissenschaftlichen Anwendungen im Bereich der Leistungsverbesserung ausgearbeitet. In seinem Referat „Applied Sports Science in the UK: From Pitch to Podium“ hat er die bedeutende Entwicklung der Sportwissenschaften in England aufgezeigt. Sie beruht auf interdisziplinären Teams, die in der Lage sind, zahlreiche Studien durchzuführen und die Forschungsergebnisse in die Praxis zu übertragen. Mark Williams hob die bedeutenden Mittel und die signifikanten Ergebnisse hervor.

Mit dem Referat „L'impact des sciences du sport sur la pratique - une histoire personnelle“ hat Jean-Pierre Egger nicht nur Einblick in eine aussergewöhnliche Lebensgeschichte in der Welt des Sports gewährt, sondern vor allem gezeigt, dass die sportwissenschaftlichen Anwendungen nicht allein den Wissenschaftlern vorbehalten sind. In seiner Rolle als Trainer ist es ihm gelungen, die Erkenntnisse zu nutzen, die Realität in Frage zu stellen, kritisch und neugierig zu sein und die Forschungsarbeiten in der Praxis konkret anzuwenden. In seiner Rolle als „Übermittler“ wissenschaftlicher Resultate zeigte er auf, wie vorteilhaft und bereichernd die Zusammenarbeit zwischen Praktikern und Wissenschaftlern ist.

Cécile Collinet der Universität Paris-Est Marne-la-Vallée hat erläutert, dass die Sportwissenschaften in Frankreich auf wissenschaftlichen Gemeinschaften aufgebaut sind. Gestützt auf die Wissenschaftsgeschichte und -soziologie führte sie aus, wie Fragestellungen entstehen und dass sie den Rahmen von Bewegung und Sport sprengen. Zudem hat sie sich die Frage gestellt, wie die verschiedenen Labors funktionieren und aufgezeigt, dass es Spannungsfelder zwischen „Labormodellen“ gibt, die darauf ausgerichtet sind, gewonnene Erkenntnisse in die Praxis zu übertragen, und denjenigen, die vermehrt auf die rein wissenschaftliche Forschung ausgelegt sind und weniger von gesellschaftlichen Anforderungen beeinflusst werden.
 

Die 110 Teilnehmenden an der Tagung haben zudem einen weitreichenden Einblick in die aktuellen sportwissenschaftlichen Projekte erhalten, da insgesamt 66 Referenten an der Tagung das Wort ergriffen haben, darunter 37 Naturwissenschaftler und 29 Vertreter der Sozial- und Humanwissenschaften. Diese Arbeiten haben nicht nur die Vielfalt der Sportwissenschaften aufgezeigt, sondern auch den Austausch zu den verschiedenen Auffassungen im Hinblick auf die Sportwissenschaften, den Anwendungsfeldern und dem Nutzen der Forschung gefördert.

Das offizielle Abendprogramm fand im Olympischen Museum statt. So war es möglich, die Generalversammlung der Gesellschaft durchzuführen, die Ausstellung „Athlètes et Sciences“ im Museum zu besuchen, an deren Gestaltung die Mitglieder des ISSUL mitgewirkt haben und später am Nachtessen im Restaurant des Olympischen Museums teilzunehmen.

Nachwuchspreis

49 junge Forscherinnen und Forscher haben am Nachwuchspreis-Wettbewerb teilgenommen (Naturwissenschaften: 29 Abstracts; Sozialwissenschaften: 20 Abstracts).

Die Mitglieder der Jury haben die Qualität der Arbeiten hervorgehoben, welche die Vielfalt und den Elan der sportwissenschaftlichen Forschung in der Schweiz widerspiegeln. Aus diesem Grund war die Vergabe des Preises keine leichte Aufgabe, da mehrere Kandidaten einen Preis verdient hätten. Schliesslich hat sich die Jury auf folgende Rangliste geeinigt:

Naturwissenschaften

  1. Faiss R. (ISSUL, UNIL)
    „Hypobaric and normobaric hypoxia compared: physiological responses at exercise throughout 24 hours“
  2. Fan J.-L. (IMSSM, UNIGE).
    „Effect of end-tidal PCO2 clamping on ventilatory response during incremental exercise“.

Human- und Sozialwissenschaften

  1. Zibung M. (Institut für Sportwissenschaft, Universität Bern).
    „Der ältere Bruder: ein Erfolgsfaktor für Nachwuchsfussballer“.
  2. Schoch L. (ISSUL, UNIL).
    „Women Sports Journalists in French-Speaking Swiss: Between Assignment and Negotiation of Roles“.

Der Stand der sportwissenschaftlichen Forschung in der Schweiz

Die Tagung bot die Möglichkeit, sich ein Bild über den Stand der sportwissenschaftlichen Forschung in der Schweiz zu machen.

Die Präsentation der Forschungsarbeiten hat den Teilnehmenden ermöglicht, eine Übersicht über die Forschungsachsen und Themenkreise der verschiedenen Institute zu gewinnen. Dabei liess sich feststellen, dass das Niveau der Publikationen und der laufenden Spezialisierungen der verschiedenen Universitäten gestiegen ist und dass mehr Forschungsgelder aquiriert wurden (siehe Zusammenfassung unter downloads rechte Spalte). Die Rolle, welche die Indexierung der wissenschaftlichen Journals spielt, hat zudem Anlass zu Diskussionen zum Thema Bewertung der Forschungsarbeiten und Auswirkungen dieser wissenschaftlichen Normen gegeben, die auch in den Natur- und Sozialwissenschaften zunehmend Verbreitung finden.